Der BGH bestätigt: Die AGB-mäßige Vereinbarung von Bearbeitungsgebühren in einem Darlehenvertrag ist auch bei Unternehmern unwirksam

Bearbeitungsgebühren in AGB eines Unternehmerdarlehenvertrages sind gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da sich die Bank dadurch einen ihr gesetzlich nicht zustehenden Vorteil verschafft. 

 

Enthält ein Darlehensvertrag eine Klausel, wonach der Darlehensnehmer eine Bearbeitungsgebühr zu zahlen hat, so ist sie gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Darlehensnehmer Verbraucher ist, sondern auch dann, wenn er Unternehmer ist. Auch in diesem Fall verschafft sich die Bank einen Vorteil, der ihr nach dem Gesetz nicht zusteht.

 

Enthält ein Darlehensvertrag eine Klausel, wonach der Darlehensnehmer eine Bearbeitungsgebühr zu zahlen hat, so ist sie gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Darlehensnehmer Verbraucher ist, sondern auch dann, wenn er Unternehmer ist. Auch in diesem Fall verschafft sich die Bank einen Vorteil, der ihr nach dem Gesetz nicht zusteht.

 

Bereits 2014 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Klausel in einem Verbraucherdarlehensvertrag über eine Bearbeitungsgebühr nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist, da sich die Bank dadurch einen Vorteil verschaffe, der ihr nach dem Gesetz nicht zu stehe (BGH, Urt. v. 13.05.2014 - XI ZR 405/12 und XI ZR 170/13 -).

 

Nun hat der BGH in seinen Urteilen vom 4. Juli 2017 in den Verfahren XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16 auch die höchstrichterlich bislang nicht geklärte Frage entschieden, ob formularmäßige Bearbeitungsentgelte in Darlehensverträgen mit Unternehmern ebenso unwirksam sind wie vergleichbare Klauseln in Verbraucherdarlehensverträgen. Sie war bisher von den Oberlandesgerichten uneinheitlich beantwortet worden.

 

 

 

  • Von der Wirksamkeit formularmäßig vereinbarter Bearbeitungsentgelte in Unternehmensdarlehensverträgen gingen das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Urteil vom 27.04.2016 - 13 U 134/15, juris Rn. 29 ff.), der 17. Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt (Urteil vom 12.10.2016 - 17 U 165/15, juris Rn. 58 ff.) und die Oberlandesgerichte Dresden (Urteil vom 03.08.2016 - 5 U 138/16, juris Rn. 32 ff.), Köln (Urteil vom 13.07.2016 - 13 U 140/15, juris Rn. 22 ff.) und München (Beschluss vom 13.10.2014 - 27 U 1088/14, juris Rn. 5) aus. Im Wesentlichen stellten sie dabei auf die im Vergleich zu Verbrauchern größere wirtschaftliche Erfahrung und bessere Vertragsposition von Unternehmern ab, die auf Augenhöhe mit den Kreditgebern verhandeln könnten. Unternehmer könnten darüber hinaus ihre Kosten sorgfältig kalkulieren und den mit einem Vertragsschluss verbundenen weiteren Kosten besondere Aufmerksamkeit schenken, was zum Kernbereich kaufmännischer Tätigkeit gehöre. Auch seien im Handelsverkehr geltende Gewohnheiten und Gebräuche gemäß § 310 I 2 BGB relevant. Schließlich könne ein Bearbeitungsentgelt für einen Unternehmer in steuerlicher Hinsicht sogar von erheblichem Vorteil sein.

 

 

 

  • Die Gegenmeinung, nämlich die Unwirksamkeit formularmäßig vereinbarter Bearbeitungsentgelte in Unternehmensdarlehensverträgen vertraten der 3. und 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt (Urteil vom 25.02.2016 - 3 U 110/15, juris Rn. 18 ff.; Urteil vom 13.04.2016 - 19 U 110/15, juris Rn. 24 ff.) sowie die Oberlandesgerichte Celle (Urteil vom 02.12.2015 - 3 U 113/15, juris Rn. 30 ff.) und Düsseldorf (Urteil vom 15.07.2016 - 7 U 109/15, juris Rn. 19 ff.) sowie OLG Nürnberg, Urteil vom 04.04.2017 – 14 U 612/15). Danach resultiere eine unangemessene Benachteiligung nicht aus einem Schutzbedürfnis infolge eines Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen zwischen Bank und Verbraucher, sondern aus der Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des Darlehensvertrags. Der Zins stelle das gesetzlich vorausgesetzte Entgelt im Sinne des § 488 I 2 BGB dar. Insofern unterscheide sich der Darlehensvertrag mit einem Verbraucher nicht von dem Darlehensvertrag mit einem Unternehmer. Die Vereinbarung eines Bearbeitungsentgelts zusätzlich zum Zins greife in den Grundtypus eines jeglichen Darlehensvertrags nach § 488 BGB ein und belaste einen Unternehmer in gleicher Weise wie einen Verbraucher. Der maßgebliche Eingriff in den Grundtypus des Darlehensvertrags hänge nicht von personalen Eigenschaften oder der Verhandlungsmacht des Darlehensnehmers ab. Letztere könne auch nicht anhand einer pauschalen Orientierung an den Kategorien des Verbrauchers (§ 13 BGB) und des Unternehmers (§ 14 BGB) bestimmt werden. Nicht jeder Verbraucher verfüge über eine geringere Verhandlungsmacht als ein kleiner oder mittelständischer Unternehmer, für den die Kreditversorgung von existentieller Bedeutung sein kann. Selbst wenn der Befund, ein Unternehmer könne aufgrund seiner größeren wirtschaftlichen Erfahrung kalkulatorisch „besser“ mit einem Bearbeitungsentgelt umgehen als ein Verbraucher, zutreffen würde, bleibt doch der mit der Vereinbarung eines Bearbeitungsentgelts verbundene Eingriff in den Grundgedanken der gesetzlichen Ausgestaltung des Darlehens derselbe. Dass der Unternehmer - anders als ein Verbraucher - das Bearbeitungsentgelt kurzfristig steuerlich geltend machen kann, vermöge seine wirtschaftliche Einbuße allenfalls abzumildern.

 

 

 

Für die Kuruzinformation finden Sie hier die Pressemitteilungen des BGH vor. Die vollständigen  Begründungen der Urteile finden Sie in der Seitenleiste ode rüber die folgenden Links:

 

XI ZR 562/15          XI ZR 233/16

 

 

Pressemitteilung des BGH:

Urteile vom 4. Juli 2017 in den Verfahren XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16

 

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Verfahren entschieden, dass die von den beklagten Banken vorformulierten Bestimmungen über ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt in Darlehensverträgen, die zwischen Kreditinstituten und Unternehmern geschlossen wurden, unwirksam sind.

 

Nachdem sich das Verfahren XI ZR 436/16 vor dem Termin durch Anerkenntnis der beklagten Bank erledigt hatte, war nur noch in den Verfahren XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16 zu entscheiden (vgl. zu den Einzelheiten der Verfahren die Pressemitteilung Nr. 61/2017). In diesen beiden Verfahren sind die Darlehensnehmer Unternehmer im Sinne des § 14 BGB*. Die mit den jeweiligen Banken geschlossenen Darlehensverträge enthalten Formularklauseln, wonach der Darlehensnehmer ein laufzeitunabhängiges "Bearbeitungsentgelt" bzw. eine "Bearbeitungsgebühr" zu entrichten hat. Gegenstand der Klagen ist die Rückzahlung dieses Entgelts, weil die angegriffenen Klauseln nach Ansicht der Kläger unwirksam sind. Während die Klage im Verfahren XI ZR 562/15 in den Vorinstanzen erfolgreich war, wurde die Klage in dem Verfahren XI ZR 233/16 von den Vorinstanzen abgewiesen.

 

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es sich bei den angegriffenen Klauseln um sogenannte Preisnebenabreden handelt, die der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB** unterliegen. Die Klauseln halten dieser Inhaltskontrolle nicht stand. Die Vereinbarung laufzeitunabhängiger Bearbeitungsentgelte ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren, weshalb gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzunehmen ist. Auch bei den vorliegenden Unternehmerdarlehensverträgen gibt es keine Gründe, die diese gesetzliche Vermutung widerlegen würden. Insbesondere kann die Angemessenheit eines laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts nicht mit eventuell hieraus resultierenden steuerlichen Vorteilen auf der Seite eines unternehmerischen Kreditnehmers begründet werden.

 

Die streitigen Klauseln halten auch bei angemessener Berücksichtigung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche nach § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB*** der Inhaltskontrolle nicht stand. Soweit die beklagten Banken die Vereinbarung laufzeitunabhängiger Bearbeitungsentgelte mit einem entsprechenden Handelsbrauch gerechtfertigt haben, stützt ihr Sachvortrag das Bestehen eines solchen Handelsbrauches nicht. Die Angemessenheit der Klauseln lässt sich auch nicht mit Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs rechtfertigen. Soweit hierzu eine geringere Schutzbedürftigkeit und eine stärkere Verhandlungsmacht von Unternehmern im Vergleich zu Verbrauchern angeführt werden, wird übersehen, dass der Schutzzweck des § 307 BGB, die Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht zu begrenzen, auch zugunsten eines - informierten und erfahrenen - Unternehmers gilt. Dass ein Unternehmer möglicherweise eine sich aus verschiedenen Entgeltkomponenten ergebende Gesamtbelastung besser abschätzen kann, belegt nicht die Angemessenheit der Klausel bei Verwendung gegenüber Unternehmern. Denn die Inhaltskontrolle soll allgemein vor Klauseln schützen, bei denen das auf einen gegenseitigen Interessenausgleich gerichtete dispositive Gesetzesrecht durch einseitige Gestaltungsmacht des Klauselverwenders außer Kraft gesetzt wird. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass Kreditinstitute gegenüber Unternehmern keine solche einseitige Gestaltungsmacht in Anspruch nehmen könnten. Auf ein gesteigertes wirtschaftliches Verständnis von Unternehmern kommt es bei den vorliegenden Klauseln nicht an, weil sie von einem Verbraucher ebenso wie von einem Unternehmer ohne Weiteres zu verstehen sind.

 

Im Hinblick auf die in beiden Verfahren erhobene Einrede der Verjährung gelten die Grundsätze, die der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu Verbraucherdarlehen aufgestellt hat (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, Pressemitteilung Nr. 153/14 vom 28. Oktober 2014), ebenso für Unternehmerdarlehen. Auch Unternehmern war mit Ablauf des Jahres 2011 die Erhebung einer auf die Rückforderung von Bearbeitungsentgelten gerichteten Klage zumutbar.

 

Hiervon ausgehend hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des Oberlandesgerichts Celle in dem Verfahren XI ZR 562/15 weitgehend bestätigt und nur in Bezug auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen zum Nachteil des Klägers abgeändert. In dem Verfahren XI ZR 233/16 ist das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden, weil das Oberlandesgericht weitere Feststellungen treffen muss, damit über die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung und über die vom Kläger eingeklagten Zinsen abschließend entschieden werden kann.

 

Vorinstanzen:

XI ZR 562/15

LG Hannover - Urteil vom 4. Juni 2015 - 3 O 354/14

OLG Celle - Urteil vom 2. Dezember 2015 - 3 U 113/15

 

XI ZR 233/16

LG Hamburg - Urteil vom 1. Dezember 2015 - 328 O 474/14

Hanseatisches OLG in Hamburg - Urteil vom 27. April 2016 - 13 U 2/16

 

Karlsruhe, den 4. Juli 2017

 

*§ 14 BGB Unternehmer

 

(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

 

(2) …

 

**§ 307 BGB Inhaltskontrolle

 

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

 

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

 

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

 

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

 

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

 

***§ 310 BGB Anwendungsbereich

 

(1) § 305 Abs. 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 8 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 8 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. …

 

(2) …

 

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501