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Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) AZ 6 C 36.10, Urteil vom 14.12.2011 - Ermessensausübung der BNetzA bei rückwirkenden Regulierungsentscheidungen

 

 

Rechtsquellen:

TKG § 13 Abs. 3, § 14, § 23 Abs. 1, § 30 Abs. 1

Stichworte:

Bundesnetzagentur; Marktdefinition; Marktanalyse; Regulierungsverfügung; Zugangsverpflichtung; Entgelte; Genehmigungspflicht; Standardangebot; rückwirkende Auferlegung; Regulierungsermessen; maßgebliche Sachlage.;

 

Leitsatz:

Wenn die Bundesnetzagentur einem marktmächtigen Unternehmen eine Regulierungspflicht rückwirkend für einen zurückliegenden Zeitraum auferlegt, hat sie nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung die Sachlage für den zurückliegenden Zeitraum festzustellen und zu bewerten.

________________________________________

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

Vorinstanz: VG Köln - 25.08.2010 - AZ: VG 21 K 3702/09

 

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2011

durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und

die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Möller, Hahn und

Prof. Dr. Hecker

für Recht erkannt:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. August 2010 wird geändert.

Der Beschluss der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 3. Juni 2009 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

I.

Die Klägerin, die Deutsche Telekom AG, wendet sich gegen einen Beschluss, durch den die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) eine gegenüber der Klägerin ergangene Regulierungsverfügung rückwirkend um Regulierungsverpflichtungen ergänzt hat.

 

Die Klägerin ist Eigentümerin von Telekommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen. Sie bietet unter anderem breitbandige digitale Datenübertragungsdienste an. In einer Marktdefinition und Marktanalyse vom 12. Januar 2006 stellte die Bundesnetzagentur fest, die Klägerin verfüge auf einem von ihr insoweit abgegrenzten Markt für Bitstrom-Zugang über beträchtliche Marktmacht. Auf dieser Grundlage legte sie der Klägerin durch Regulierungsverfügung vom 13. September 2006 die Verpflichtungen auf, anderen Unternehmen auf Nachfrage Bitstrom-Zugang in näher bezeichneter Weise einzuräumen, zum Zweck des Zugangs Kollokation zu gewähren, bei Vereinbarungen über Zugänge Gleichbehandlung sicherzustellen und ihre Vorleistungspreise extern wie intern transparent zu gestalten. Ferner sprach die Bundesnetzagentur aus, dass die Entgelte für Zugangsleistungen der Genehmigung unterliegen. Schließlich legte sie der Klägerin die Verpflichtung auf, ein Standardangebot für Zugangsleistungen zu veröffentlichen.

 

Auf die Klage der Klägerin hob das Bundesverwaltungsgericht die Regulierungsverfügung im Revisionsverfahren insoweit auf, als die Bundesnetzagentur die Entgelte der Genehmigungspflicht unterworfen und die Klägerin verpflichtet hatte, ein Standardangebot zu veröffentlichen (Urteil vom 28. Januar 2009 - BVerwG 6 C 39.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 3): Die Auferlegung derartiger Pflichten stehe im Regulierungsermessen der Bundesnetzagentur, die ihr Regulierungsermessen hier nicht ausgeübt habe. Mit den ihrerseits ermessensfehlerfrei auferlegten Zugangs-, Gleichbehandlungs- und Transparenzverpflichtungen bleibe eine rechtmäßige und sinnvolle Regelung bestehen, die gegebenenfalls ergänzt werden könne.

 

Nach Anhörung der Klägerin ergänzte die Bundesnetzagentur durch Beschluss vom 3. Juni 2009 die Regulierungsverfügung vom 13. September 2006. Rückwirkend ab diesem Zeitpunkt unterwarf sie die Entgelte der Klägerin für auferlegte Zugangsleistungen der Genehmigung nach Maßgabe von § 31 TKG (Nr. 1) und verpflichtete die Klägerin, ein einheitliches Standardangebot für Zugangsleistungen zu veröffentlichen, zu deren Angebot sie durch die Regulierungsverfügung verpflichtet sei und für die eine allgemeine Nachfrage bestehe (Nr. 2). Zur Begründung führte die Bundesnetzagentur aus: Ob und welche Verpflichtungen der Klägerin nachträglich aufzuerlegen seien, beurteile sich maßgeblich nach der Sachlage, wie sie bei Erlass der Regulierungsverfügung vom 13. September 2006 bestanden habe. Alle in der Folgezeit gewonnenen Erkenntnisse müsse sie - die Bundesnetzagentur - ausblenden. Weil ein Marktzutritt von Wettbewerbern auf hohe Schranken stoße und Anreize bestünden, von Wettbewerbern andere als kostenorientierte Preise zu verlangen, geböten die Regulierungsziele, die geforderten Entgelte vorab am Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu kontrollieren. An den Kosten orientierte Entgelte entsprächen besser den Regulierungszielen, die Verbraucherinteressen zu wahren, einen chancengleichen Wettbewerb sicherzustellen und effiziente Investitionen in die Infrastruktur zu fördern, als solche Entgelte, die lediglich einer Missbrauchskontrolle unterlägen. Die Genehmigungspflicht habe der Klägerin rückwirkend auferlegt werden dürfen. Gründe des Vertrauensschutzes stünden dem nicht entgegen. Die Klägerin habe von vornherein mit dieser Regelung rechnen müssen. Ebenso sei es erforderlich, die Klägerin rückwirkend zur Veröffentlichung eines Standardangebots zu verpflichten, das den Wettbewerbern einen schnellen und chancengleichen Zugang zu den Vorleistungen ermögliche.

 

Die Klägerin hat mit dem Antrag Klage erhoben, den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 3. Juni 2009 aufzuheben.

 

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen: Ob die ergänzende Regulierungsverfügung rechtmäßig sei, beurteile sich maßgeblich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der ursprünglichen Regulierungsverfügung vom 13. September 2006. Dies folge insbesondere aus § 13 Abs. 3 TKG. Nach dieser Vorschrift ergehe die Entscheidung über Abhilfemaßnahmen als einheitlicher Verwaltungsakt mit den Ergebnissen des Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens. Die Bundesnetzagentur habe der Klägerin ermessensfehlerfrei die Genehmigungspflicht für ihre Entgelte nachträglich auferlegt. Seien Regulierungsverpflichtungen wegen eines Abwägungsdefizits aufgehoben worden, entspreche es dem Zweck der telekommunikationsrechtlichen Vorschriften über die Marktregulierung, sie rückwirkend erneut in Kraft zu setzen, um zu vermeiden, dass das Regulierungskonzept auf Dauer lückenhaft bleibe. Die Klägerin habe unter keinem Gesichtspunkt darauf vertrauen dürfen, keiner Genehmigungspflicht für ihre Entgelte unterworfen zu werden. Aus entsprechenden Erwägungen habe die Bundesnetzagentur rückwirkend die Pflicht anordnen dürfen, ein Standardangebot zu veröffentlichen.

 

Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt: Ob der hier angefochtene, die ursprüngliche Regulierungsverfügung ergänzende Beschluss rechtmäßig sei, beurteile sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses, wenn nicht sogar wegen der Dauerwirkung der Regulierungsverfügung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts maßgeblich sei. Soweit § 13 Abs. 3 TKG die Ergebnisse der Marktdefinition und Marktanalyse mit der Regulierungsverfügung verklammere, diene dies lediglich dem Ziel, den Rechtsschutz auf die Regulierungsverfügung zu konzentrieren, trage aber nichts zur Klärung der Frage bei, nach welchem Zeitpunkt sich die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Bundesnetzagentur beurteile. Aus § 14 TKG lasse sich nicht herleiten, während einer Regulierungsperiode wirkten sich Änderungen der Marktverhältnisse nicht auf die Rechtmäßigkeit einer auferlegten Regulierungsverpflichtung aus, zumal die zweijährige Regulierungsperiode bei Erlass des ergänzenden Beschlusses bereits abgelaufen gewesen sei. Die gegenteilige Auffassung der Bundesnetzagentur und des Verwaltungsgerichts führe dazu, dass das Unternehmen auf der Grundlage veralteter Tatsachen reguliert werde und neue Marktdaten vernachlässigt würden, die im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses hier bereits vorgelegen hätten. Auf der Grundlage dieser neuen Marktdaten habe die Bundesnetzagentur inzwischen ihre - der Klägerin - Entgelte nur noch der nachträglichen Missbrauchskontrolle unterworfen. Die Genehmigungspflicht habe nicht rückwirkend erneut auferlegt werden dürfen. Ihre ursprüngliche Aufhebung habe das Regulierungskonzept der Bundesnetzagentur nicht in Frage gestellt. Entsprechendes gelte für die rückwirkend auferlegte Verpflichtung, ein Standardangebot vorzulegen; sie sei nicht erforderlich, da die Aufhebung dieser Pflicht die zivilrechtliche Gültigkeit bereits abgeschlossener Verträge nicht berühre.

Die Beklagte tritt der Revision entgegen: Das Regulierungsverfahren sei darauf angelegt, alle Fragen abschließend zu regeln, die die Regulierungsbedürftigkeit eines Marktes aufwerfe. Trete nachträglich eine Lücke auf, könne aber der verhaltenssteuernde Effekt noch erreicht werden, der mit der ursprünglichen Regelung verfolgt worden sei, werde der Zweck des Regulierungsverfahrens nur erfüllt, wenn die betreffende Verpflichtung rückwirkend wieder auferlegt werde. Sei die Rückwirkung zulässig, folge daraus zugleich, dass die Sachlage zum Zeitpunkt der ursprünglichen Regulierungsverfügung maßgeblich sei; denn die erneut aufzuerlegenden Verpflichtungen hätten sich in die ergänzungsbedürftige Gesamtregelung einzupassen. Dafür spreche auch § 13 Abs. 3 TKG, wonach das Ergebnis des Marktanalyseverfahrens die ermessenssteuernde Grundlage der Regulierungsentscheidung sei. Dieselbe Konzeption komme auch in § 14 TKG zum Ausdruck, der die Pflichtenlage bis zu einer förmlichen Überprüfung von Marktdefinition und -analyse grundsätzlich stabil halte. Daher seien der ursprünglichen Regulierungsverfügung nachfolgende Entwicklungen, schon im Ansatz unbeachtlich.

 

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 2 VwGO). Das Verwaltungsgericht hätte den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 3. Juni 2009 aufheben müssen. Dieser Beschluss ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Bundesnetzagentur hat das ihr eingeräumte Regulierungsermessen auf einer verkürzten tatsächlichen Grundlage ausgeübt; ihre Entscheidung beruht mithin auf einem Abwägungsdefizit.

 

1.

Soweit die Bundesnetzagentur eine Genehmigungspflicht für die Entgelte der Klägerin angeordnet hat, ist Rechtsgrundlage ihres Beschlusses § 30 Abs. 1 TKG. Nach dieser Vorschrift unterliegen die Entgelte des Betreibers eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, für ihm auferlegte Zugangsleistungen einer Genehmigung durch die Bundesnetzagentur, falls sie die Entgelte nicht unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 TKG einer nachträglichen Regulierung unterwirft. Zwar „unterliegen“ die Entgelte nach dem Wortlaut der Vorschrift der Genehmigung. Mit der Richtlinie 2002/19/EG vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung - Zugangsrichtlinie, ZRL - wäre aber ein Verständnis der Norm unvereinbar, nach dem § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG die Genehmigungspflicht generell anordnen würde und die Bundesnetzagentur nur ausnahmsweise in den Fällen des Satzes 2 hiervon abweichen dürfte. Vielmehr ist § 30 Abs. 1 TKG unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass die Bundesnetzagentur stets über das Ob und das Wie der Entgeltregulierung zu entscheiden hat (Urteil vom 28. Januar 2009 - BVerwG 6 C 39.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 3 Rn. 38).

 

a) Die Vorschrift schließt nicht aus, die Genehmigungspflicht für Entgelte auch rückwirkend für einen in der Vergangenheit bereits verstrichenen Zeitraum anzuordnen.

 

Die Entgeltregulierung verfolgt das Ziel, eine missbräuchliche Ausbeutung, Behinderung oder Diskriminierung von Wettbewerbern durch preispolitische Maßnahmen des marktmächtigen Unternehmens zu verhindern (§ 27 Abs. 1 TKG). Wird ihm eine Genehmigungspflicht für seine Entgelte auferlegt, dürfen die Entgelte die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht überschreiten (§ 31 Abs. 1 Satz 1 TKG). Wegen der Insuffizienz des Wettbewerbes auf dem betreffenden Markt müssen die Preise nach Lage des konkreten Falles zur umfassenden Rechtfertigung ihrer Höhe kostenorientiert sein (Erwägungsgrund 20 der Zugangsrichtlinie). Um in einer solchen Situation die Regulierungsziele zu erreichen, einen chancengleichen Wettbewerb sicherzustellen und nachhaltig wettbewerbsorientierte Märkte sowie Investitionen zu fördern (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 TKG), knüpft das Gesetz an die Entgeltgenehmigung weitreichende zivilrechtliche Folgen: Der marktmächtige Betreiber darf keine anderen als die genehmigten Entgelte verlangen (§ 37 Abs. 1 TKG). Das genehmigte Entgelt tritt mit privatrechtsgestaltender Wirkung an die Stelle des vereinbarten Entgelts (§ 37 Abs. 2 TKG).

Ausgehend von diesen Zielen, die mit der Entgeltregulierung verfolgt werden, kann dem marktmächtigen Unternehmen eine Genehmigungspflicht rückwirkend auferlegt werden, wenn die Voraussetzungen hierfür schon in der Vergangenheit vorgelegen haben, die rückwirkend angeordnete Genehmigungspflicht für die Vergangenheit ihre Rechtsfolgen noch entfalten kann und einer Rückwirkung Gründe des Vertrauensschutzes nicht entgegenstehen.

 

aa) Die Voraussetzungen dafür, der Klägerin eine Genehmigungspflicht ihrer Entgelte aufzuerlegen, lagen für den gesamten Zeitraum vor, für den der streitige Beschluss der Bundesnetzagentur der dort angeordneten Genehmigungspflicht Wirkung beimessen will.

Der Marktregulierung nach den Vorschriften des Teils 2 des TKG, hier des § 30 TKG (Entgeltgenehmigung), unterliegen gemäß § 9 Abs. 1 TKG nur solche Märkte, auf denen die Voraussetzungen der Marktdefinition nach § 10 TKG vorliegen und für die eine Marktanalyse nach § 11 TKG ergeben hat, dass wegen beträchtlicher Marktmacht eines oder mehrerer Unternehmen kein wirksamer Wettbewerb vorliegt; marktmächtigen Unternehmen werden Regulierungsmaßnahmen auferlegt (§ 9 Abs. 2 TKG). Der Regulierungsverfügung vom 13. September 2006 lag eine am 12. Januar 2006 abgeschlossene Marktdefinition und Marktanalyse zugrunde, die mit der Feststellung endete, dass die Klägerin auf dem hier relevanten Markt für IP-Bitstrom-Zugang über beträchtliche Marktmacht verfügt. Diese Marktfestlegung ist rechtlich nicht zu beanstanden, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 28. Januar 2009 entschieden hat. Die Bundesnetzagentur durfte dieselbe Marktfestlegung ihrem ergänzenden Beschluss vom 3. Juni 2009 zugrunde legen. Hinderungsgründe ergeben sich weder aus § 14 Abs. 1 TKG noch aus § 14 Abs. 2 TKG.

Werden der Bundesnetzagentur Tatsachen bekannt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Ergebnisse der bestehenden Marktanalyse nicht mehr den tatsächlichen Marktgegebenheiten entsprechen, oder ist die einschlägige Märkteempfehlung der Kommission nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste - Rahmenrichtlinie, RRL - (ABl. EG Nr. L 108 S. 33) geändert worden, finden gemäß § 14 Abs. 1 TKG die Regelungen der §§ 10 bis 13 TKG entsprechende Anwendung. Es hat mithin eine neue Marktdefinition und -analyse stattzufinden und sind die Regulierungsverpflichtungen dem anzupassen.

 

Zwar wurde die seinerzeit geltende Märkteempfehlung vom 11. Februar 2003 (ABl EU Nr. L 114 S. 45) mittlerweile ersetzt durch die Empfehlung vom 17. Dezember 2007 (ABl EU Nr. L 344 S. 65); der Vorleistungsmarkt „Breitbandzugang für Großkunden“ einschließlich des „Bitstrom-Zugangs“ ist aber Gegenstand der alten (Markt 12) wie der neuen Märkteempfehlung (Markt 5).

Das Verwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass sich die Marktgegebenheiten, die der am 12. Januar 2006 abgeschlossenen Marktanalyse zugrunde lagen, bis zum Erlass des ergänzenden Beschlusses in erheblichem Umfang verändert haben. Soweit sich die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung auf eine Änderung der Marktverhältnisse beruft, wendet sie sich nicht gegen die Feststellung, dass sie auf dem Markt für IP-Bitstrom-Zugang nach wie vor über beträchtliche Marktmacht verfügt. Vielmehr beruft sie sich auf Marktdaten, die im Rahmen einer späteren Regulierungsverfügung vom 17. September 2010 Anlass gaben, die Entgeltregulierung von der Genehmigungspflicht in eine nachträgliche Kontrolle abzuschwächen, und die bereits bei Erlass des hier umstrittenen ergänzenden Beschlusses vom 3. Juni 2009 bekannt gewesen seien. Sie mahnt die Berücksichtigung inzwischen eingetretener Marktentwicklungen ausdrücklich nur im Zusammenhang mit dem Erlass neuer Verfügungen an, nicht aber bei der zugrunde liegenden Marktdefinition und Marktanalyse, die vielmehr nach ihrer eigenen Ansicht davon unberührt bleibt.

 

Nach § 14 Abs. 2 TKG legt die Bundesnetzagentur außer in den Fällen des Absatzes 1 alle zwei Jahre die Ergebnisse einer Überprüfung der Marktdefinition und der Marktanalyse vor. Aus diesem zeitlich bestimmten Überprüfungsauftrag folgt nicht, dass eine einmal durchgeführte Marktanalyse ohne Rücksicht auf die Marktgegebenheiten nach zwei Jahren gewissermaßen automatisch außer Kraft tritt, sodass sie bis zum Abschluss einer neuen Marktanalyse auch nicht mehr Grundlage ergänzender Regulierungsmaßnahmen sein könnte. Eine derartige Automatik liegt weder dem Gemeinschaftsrecht noch dem nationalen Recht zugrunde. Sie ließe außer Acht, dass Marktdefinition und Marktanalyse komplexe Verfahren (Art. 7, 15 f. RRL, § 12 Abs. 2 TKG) und für Verzögerungen anfällig sind, und wäre mit der Systematik und dem Zweck des Regulierungsrechts unvereinbar. Das zeigt sich vor allem an der gesetzlichen Regelung, die die nachträgliche Aufhebung auferlegter Regulierungsverpflichtungen wegen Wegfalls der Regulierungsbedürftigkeit des Marktes erfahren hat: Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 und 3 Satz 2 RRL ist ein Widerruf nicht schon dann vorgesehen, wenn nach Ablauf der zwei Jahre keine neue Marktanalyse vorliegt, sondern nur dann, wenn auf dem relevanten Markt nunmehr wirksamer Wettbewerb herrscht.

 

bb) Die Anordnung einer Genehmigungspflicht kann nachträglich noch ihre steuernde Wirkung entfalten. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - eine zuvor bereits auferlegte Genehmigungsverpflichtung aus formalen Gründen oder wegen Ermessensfehlers mit Wirkung ex tunc aufgehoben worden ist.

 

Wird die Entgeltgenehmigungspflicht ex tunc aufgehoben, spricht jedenfalls vieles dafür, dass damit die Ersetzung der vereinbarten Entgelte durch die genehmigten Entgelte nach § 37 Abs. 2 TKG rückwirkend entfällt; § 37 TKG gilt grundsätzlich (nur) für genehmigungspflichtige Entgelte. Entfällt die Ersetzungswirkung, stehen dem marktmächtigen Unternehmen gegebenenfalls Nachzahlungsansprüche gegen seine Vertragspartner zu. Selbst wenn die bereits erteilten Entgeltgenehmigungen im Falle der nachträglichen Aufhebung der Genehmigungspflicht ihre Wirksamkeit nicht ohne weiteres verlören, sähe sich die Bundesnetzagentur jedenfalls Anträgen des marktmächtigen Unternehmens ausgesetzt, die Entgeltgenehmigungen nach § 48 VwVfG zurückzunehmen (Beschluss vom 13. Juni 2007 - BVerwG 6 VR 5.07 - Buchholz § 80 VwGO Nr. 74 Rn. 21). Die erneute Anordnung der Genehmigungspflicht und ihre Rückwirkung sind deshalb geeignet, den bereits ergangenen Entgeltgenehmigungen nachträglich die erforderliche Grundlage wiederzuverschaffen und diese so abzusichern.

 

cc) Vertrauensschutz stand der rückwirkenden Inkraftsetzung der Genehmigungspflicht nicht entgegen. Das Vertrauen des Regulierungsadressaten ist dann nicht schutzwürdig, wenn er - wie hier die Klägerin - nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge zurückbezogen wird, insbesondere wegen des Rechtsscheins, den die ursprüngliche Regulierungsverfügung erzeugt hat, mit der Regelung rechnen musste.

dd) Das Verbot rückwirkender Strafbarkeit aus Art. 103 Abs. 2 GG steht der rückenden Anordnung einer Genehmigungspflicht ebenfalls nicht entgegen. Zwar handelt nach § 149 Abs. 1 Nr. 6 TKG ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne Genehmigung nach § 30 Abs. 1 oder § 39 Abs. 1 Satz 1 TKG ein Entgelt erhebt. Diese Vorschrift ist aber einschränkend auszulegen. Sie findet keine Anwendung, wenn im Zeitpunkt der Erhebung des Entgelts eine Genehmigungspflicht noch nicht aktuell begründet war, sondern erst später rückwirkend auf diesen Zeitpunkt begründet wird. In diesem Fall erfüllt die Erhebung des Entgelts nicht den Tatbestand der Bußgeldvorschrift.

 

b) Die Bundesnetzagentur hat das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

 

Ob die Anordnung der Genehmigungspflicht im Sinne des Art. 8 Abs. 2 und 4 ZRL erforderlich und angemessen ist, um die Regulierungsziele zu erreichen, ist insgesamt Gegenstand des Regulierungsermessens, das der Bundesnetzagentur obliegt (Urteil vom 28. Januar 2009 - BVerwG 6 C 39.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 3 Rn. 37 ff.). Das Regulierungsermessen wird fehlerhaft ausgeübt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat (Abwägungsausfall), in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste (Abwägungsdefizit), die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden ist (Abwägungsfehleinschätzung) oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität; grundlegend: Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 = Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 1).

 

aa) Was nach Lage der Dinge in die Abwägung eingestellt werden muss und welche Bedeutung den betroffenen Belangen zukommt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sachlage in dem Zeitpunkt oder in dem Zeitraum, für den die Regulierungsverfügung sich Geltung beimisst. Bezogen auf diese Sachlage muss die Bundesnetzagentur aus den in Betracht kommenden Regulierungsinstrumenten diejenigen auswählen, die nach ihrer Beurteilung am besten geeignet und erforderlich sind, die gesteckten Regulierungsziele zu erreichen. Für die Feststellung und Bewertung des danach maßgeblichen Sachverhalts muss die Behörde die Erkenntnisse heranziehen, die hierfür im Zeitpunkt ihrer Entscheidung zur Verfügung stehen. In diesem Sinne beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügung ungeachtet einer etwaigen Dauerwirkung nach der Sachlage im Zeitpunkt ihres Erlasses (Beschluss vom 28. Januar 2010 - BVerwG 6 B 50.09 - Buchholz 442.066 § 135 TKG Nr. 1 Rn. 14).

 

Regelmäßig wird dem marktmächtigen Unternehmen eine Regulierungspflicht mit Wirkung für die Zukunft auferlegt. Die Bundesnetzagentur muss nach dem Erkenntnisstand im Zeitpunkt ihrer Entscheidung prognostizieren, welches Regulierungsinstrument nach ihrer Beurteilung am besten geeignet und erforderlich ist, die gesteckten Regulierungsziele zu erreichen. Wenn die Bundesnetzagentur dem marktmächtigen Unternehmen eine Regulierungspflicht rückwirkend für einen zurückliegenden Zeitraum auferlegt, hat sie nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung die Sachlage für den zurückliegenden Zeitraum festzustellen und zu bewerten. Ergänzt die Regulierungsverfügung eine bereits erlassene erste Regulierungsverfügung (erneut), darf die Bundesnetzagentur mithin keine Erkenntnisse ausblenden, die seit dem Erlass der ersten Regulierungsverfügung zu Tage getreten sind.

 

Dass die Bundesnetzagentur der Klägerin die Pflicht zur Entgeltgenehmigung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlasses der Regulierungsverfügung vom 13. September 2006 auferlegt hat und grundsätzlich auch auferlegen durfte, führt mithin für sich allein nicht dazu, dass die Rechtmäßigkeit der rückwirkend auferlegten Genehmigungspflicht ausschließlich nach Maßgabe der Erkenntnislage im Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Regulierungsverfügung zu beurteilen wäre.

 

Ist die Rechtmäßigkeit eines rückwirkenden Verwaltungsakts zu beurteilen, ist Maßstab hierfür nicht schon gewissermaßen aus der Natur der Sache heraus stets nur die Sachlage zu Beginn des Rückwirkungszeitraums. Beruhte die regulatorische Ausgangsentscheidung, hier die zwischenzeitlich aufgehobene Auferlegung der Entgeltgenehmigungspflicht, auf der prognostischen Abschätzung der Marktentwicklung während der Regulierungsperiode, darf bei der späteren Entscheidung über die erneute Auferlegung dieser Pflicht nicht unberücksichtigt bleiben, ob und inwieweit die Entwicklung tatsächlich so eingetreten ist wie seinerzeit vorhergesehen; im Hinblick auf den Vertrauensschutz des mit der Rückwirkung belasteten Regulierungsadressaten muss ohnehin auf den Erlasszeitpunkt des rückwirkenden Verwaltungsakts abgehoben werden. Davon abgesehen betrifft die mit der ergänzenden Regulierungsverfügung vom 3. Juni 2009 erneut angeordnete Entgeltgenehmigungspflicht nicht nur einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Zeitraum, sondern wirkt zugleich in die Zukunft, indem sie sich Geltung bis zum Abschluss der neuen Marktregulierung beimisst, die hier erst mit der Regulierungsverfügung vom 17. September 2010 erfolgte. Vor diesem Hintergrund findet sich in dem rückwirkenden Charakter der Regulierungsverpflichtung keine Rechtfertigung dafür, ausschließlich an die Sachlage im Zeitpunkt der ursprünglichen Regulierungsverfügung anzuknüpfen und spätere Marktdaten von vornherein ohne Rücksicht darauf zu ignorieren, ob eine Entgeltregulierung im Sinne einer Pflicht zur vorherigen Genehmigung nach dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung erforderlich ist oder ob eine reine Missbrauchskontrolle ausreicht.

 

Auch im Übrigen bestehen keine spezifischen Besonderheiten des Telekommunikationsrechts, aufgrund derer allein die Sachlage zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Regulierungsverfügung auch noch für die Rechtmäßigkeit ihrer nachträglichen Ergänzung maßgeblich ist.

 

Eine solche Besonderheit ergibt sich nicht aus § 13 TKG, namentlich nicht aus dessen Absatz 3, auf den das Verwaltungsgericht sich in diesem Zusammenhang vor allem beruft. Nach § 13 Abs. 3 TKG ergehen die Entscheidungen über regulatorische Abhilfemaßnahmen mit den Ergebnissen der Marktdefinition und der Marktanalyse als einheitlicher Verwaltungsakt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus dieser Vorschrift jedoch nicht, dass die Maßnahmen, die auf einem als regulierungsbedürftig festgestellten Markt zu treffen sind, Teil eines einheitlichen Regulierungskonzepts im Rahmen einer Gesamtabwägung sind. Ohne Grundlage ist deshalb die daran anknüpfende Folgerung, die Regulierungsverfügung erfordere als ein einheitlicher Verwaltungsakt in diesem Sinne für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit zwingend einen einheitlich bestimmten maßgeblichen Zeitpunkt.

 

§ 13 Abs. 3 TKG zielt nur auf eine Konzentration des Rechtsschutzes am Ende des gestuften Verwaltungsverfahrens, das die Marktdefinition und -analyse sowie die Entscheidungen über Abhilfemaßnahmen umfasst. Nach dem Zweck wie nach der Systematik des Gesetzes sind daher die Ergebnisse des Verfahrens der Marktdefinition und Marktanalyse ein untrennbarer Bestandteil der Regulierungsverfügung, der sie zugrunde liegen. Sie können nicht isoliert, sondern nur inzident mit der Regulierungsverfügung klageweise angegriffen werden (Urteil vom 29. Oktober 2008 - BVerwG 6 C 38.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 2 Rn. 12).

 

Der Zweck des § 13 Abs. 3 TKG besteht demgegenüber nicht darin, sämtliche in der Regulierungsverfügung zusammengefassten Einzelentscheidungen über Abhilfemaßnahmen ihrerseits zu einem untrennbaren Zusammenhang zu verklammern. Bezogen auf die hier inmitten stehende Regulierungsverfügung hat das Bundesverwaltungsgericht eine derart enge Verknüpfung vielmehr gerade verneint und daher ihre Teilbarkeit angenommen (Urteil vom 28. Januar 2009 - BVerwG 6 C 39.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 3 Rn. 44). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht es ausdrücklich für möglich gehalten, die Regulierungsverfügung wieder um eine rechtmäßige Maßnahme der Entgeltregulierung zu ergänzen. Weil aber mit den seinerzeit aufrechterhaltenen Zugangs-, Gleichbehandlungs- und Transparenzverpflichtungen der ursprünglichen Regulierungsverfügung eine nach dem Konzept der Bundesnetzagentur rechtmäßige und sinnvolle Regelung bestehen blieb, musste die mögliche Ergänzung nicht zwingend auf dem damaligen Erkenntnisstand beruhen und die seither eingetretene Marktentwicklung ausblenden. Im Gegenteil: Konnte der seinerzeit unbeanstandet gebliebene Regulierungsrest auch ohne ergänzende Entgeltregulierung fortbestehen, ist nicht ersichtlich, warum es von vornherein ausgeschlossen sein soll, in das ursprüngliche Konzept nachträglich ein „minus“ einzufügen, das inzwischen eingetretene Veränderungen berücksichtigt.

 

Die Auferlegung regulatorischer Verpflichtungen greift zudem in die Grundrechte der Klägerin aus Art. 12, Art. 14 GG ein (Urteil vom 25. April 2001 - BVerwG 6 C 6.00 - BVerwGE 114, 160 <189 ff.> = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 1). Die Beschränkung auf erforderliche und angemessene Regulierungsmaßnahmen (Art. 8 Abs. 2 und 4 ZRL) ist Ausdruck dieser Grundrechtsbindung. Das Telekommunikationsgesetz 1996 war noch von einem Prinzip beherrscht, nach dem sich die Verpflichtungen des marktbeherrschenden Unternehmens unmittelbar aus dem Gesetz ergaben. Der Übergang zu dem neuen System der zeitabschnittsweisen Auferlegung individueller Verpflichtungen dient gerade dazu, eine Überregulierung zu vermeiden und je nach dem Stand der Marktverhältnisse den schrittweisen Abbau von Regulierung anzustoßen. Dieses Ziel würde unterlaufen, müsste eine etwa erforderliche Ergänzung einer schon bestehenden Regulierungsverfügung in jedem Fall auf der alten Erkenntnislage aufbauen, die möglicherweise zugunsten des Regulierungsadressaten bereits überholt ist.

 

Aus § 14 TKG ergibt sich nichts anderes. Wie erwähnt, lässt sich dieser Vorschrift zwar entnehmen, dass die einmal getroffene Feststellung der Regulierungsbedürftigkeit eines Marktes auch für Zwecke etwaiger ergänzender regulatorischer Maßnahmen „stabil“ bleibt, solange sich die Verhältnisse nicht grundlegend gewandelt haben, die der Marktanalyse zugrunde liegen. § 14 TKG betrifft aber nur die Marktdefinition und Marktanalyse, also die Feststellung, dass ein oder mehrere Unternehmen auf einem bestimmten Markt über beträchtliche Marktmacht verfügen und dieser Markt deshalb regulierungsbedürftig ist, mithin das „Ob“ der Regulierung. Davon zu trennen ist die Frage, welche Regulierungsmaßnahmen auf dem weiterhin als regulierungsbedürftig erkannten Markt erforderlich und angemessen sind, für die hier inmitten stehende Entgeltregulierung etwa eine Genehmigungspflicht am Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung oder eine nachträgliche Entgeltkontrolle am Maßstab des Missbrauchs. Jedenfalls ist aus § 14 TKG nicht herzuleiten, dass unabhängig von einem etwaigen Wandel der Marktgegebenheiten, der die Regulierungsbedürftigkeit als solche noch nicht in Frage zu stellen braucht, für das „Wie“ dieser Regulierung allein die Erkenntnislage im Zeitpunkt der ursprünglichen Regulierungsverfügung maßgeblich sein soll.

Davon zu trennen ist wiederum die Frage, ob und inwieweit die Bundesnetzagentur eine in der Vergangenheit bestandskräftig auferlegte Regulierungsverpflichtung im Hinblick auf geänderte Marktgegebenheiten unter Kontrolle halten muss. Wenn die Bundesnetzagentur eine frühere bestandskräftig gewordene Regulierungsverfügung rückwirkend (erneut) um weitere Regulierungsverpflichtungen ergänzt, bedeutet dies nicht, dass sie dabei zwingend die bereits bestandskräftig auferlegten Regulierungsverpflichtungen einer Überprüfung nach dem Erkenntnisstand des jetzt maßgeblichen Entscheidungszeitraums unterziehen müsste.

Dass maßgeblich allein auf die Sachlage zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Regulierungsverfügung abzustellen ist, lässt sich ferner nicht aus einer Parallele zum Planfeststellungsrecht herleiten. Namentlich enthält § 75 Abs. 1a VwVfG keinen allgemeinen Grundsatz, der sich auf Regulierungsverfügungen nach § 13 TKG übertragen lässt. Dasselbe gilt für § 214 BauGB.

 

Das Verwaltungsgericht entnimmt § 75 Abs. 1a VwVfG die Wertung, werde ein Planfeststellungsbeschluss wegen vorhandener Abwägungsdefizite durch einen Planergänzungsbeschluss gemäß § 75 Abs. 1a VwVfG vervollständigt, sei maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für den Ergänzungsbeschluss grundsätzlich derjenige des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses. Nach § 75 Abs. 1a VwVfG führen erhebliche Mängel bei der Abwägung nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch Planergänzung behoben werden können. Diese Vorschrift findet im Regulierungsrecht keine Entsprechung. Bei der Planfeststellung trifft die Planfeststellungsbehörde auf der Grundlage einer Gesamtabwägung aller Belange nur eine Gesamtentscheidung über die Zulassung des Vorhabens. Die Systematik des Telekommunikationsgesetzes ist dagegen darauf angelegt, dass die einzelnen Abhilfemaßnahmen, die in § 13 Satz 3 TKG vorgesehen sind, nach den differenzierten Maßstäben der dort aufgeführten Einzelbestimmungen gesondert abgewogen werden. Die auf dieser Grundlage getroffenen jeweiligen Entscheidungen über Regulierungsmaßnahmen werden mit den Ergebnissen der Marktdefinition und -analyse in einem einheitlichen Verwaltungsakt zusammengefasst. Er vereint ein Bündel von Einzelentscheidungen, die zwar auf die Marktdefinition und -analyse als gemeinsame Grundlage bezogen sind und untereinander in sachlichem Zusammenhang stehen, aber als Einzelentscheidungen fassbar bleiben. Nur deshalb konnte das Bundesverwaltungsgericht in dem Vorprozess die Regulierungsverfügung teilweise aufheben, was bei einem Planfeststellungsbeschluss nicht möglich gewesen wäre.

 

bb) Danach leidet der streitige Beschluss der Bundesnetzagentur in Bezug auf die nachträglich angeordnete Entgeltgenehmigungspflicht an einem Abwägungsdefizit, weil die Bundesnetzagentur Teile des für sie entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht in ihre Abwägung einbezogen hat. Sie hat bei der Ausübung ihres Ermessens ausdrücklich nur solche Tatsachen berücksichtigt, die schon bei Erlass der ursprünglichen Regulierungsverfügung vom 13. September 2006 vorgelegen hatten; in der Folgezeit gewonnene Erkenntnisse hat sie ausdrücklich ausgeblendet (S. 5 des streitigen Beschlusses vom 3. Juni 2009).

 

Zwar hat die Bundesnetzagentur im weiteren Gang ihrer Erwägungen unter Verstoß gegen die eigene Prämisse jedenfalls eine spätere Selbstverpflichtungserklärung der Klägerin aufgegriffen und sich mit ihr sachlich auseinander gesetzt (S. 12 f. des streitigen Beschlusses). Von diesem Punkt abgesehen hat die Bundesnetzagentur spätere Entwicklungen aber nicht nur im argumentativen Ausgangspunkt, sondern auch in der Sache unberücksichtigt gelassen. Das gilt insbesondere für Marktdaten, die dafür sprechen könnten, dass eine nachträgliche Kontrolle der Entgelte am Maßstab des Missbrauchs ausreicht und damit eine Genehmigungspflicht nicht erforderlich ist. So hat die Bundesnetzagentur in ihrem Beschluss (S. 13) ausdrücklich festgehalten, dass (nur) bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses der Regulierungsverfügung am 13. September 2006 kein belastbarer Anhaltspunkt dafür ersichtlich sei, die Klägerin werde auch ohne Genehmigungspflicht ihr Preissetzungsverhalten an den Kosten der effektiven Leistungsbereitstellung ausrichten; der Missbrauchsmaßstab reiche jedenfalls zum Zeitpunkt des erstmaligen Angebotes der Vorleistung IP-Bitstrom nicht aus, Entgelte sicherzustellen, die sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientierten (S. 14 des Beschlusses). Diese rein auf die Vergangenheit bezogenen Erwägungen der Bundesnetzagentur reichen für sich genommen schon nicht aus, um die Entgeltgenehmigungspflicht rückwirkend für einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Zeitraum zu erneuern; sie genügen erst recht nicht, um die Vorleistungsentgelte in die Zukunft gerichtet bis zum Ende der Regulierungsperiode, also bis zum Abschluss des nachfolgenden Regulierungsverfahrens, der Genehmigungspflicht zu unterwerfen.

 

Allerdings hätte die Bundesnetzagentur solche Entwicklungen ausblenden dürfen, die auf dem Markt allein dadurch eingetreten sind, dass sich die später aufgehobene ursprünglich angeordnete Entgeltregulierung auf dem Markt faktisch ausgewirkt hat. Denn zur Erhaltung solcher Effekte ist die Bundesnetzagentur gerade berechtigt, die aufgehobene Entgeltgenehmigung rückwirkend zu erneuern.

 

2.

Soweit die Bundesnetzagentur der Klägerin erneut die Verpflichtung auferlegt hat, ein einheitliches Standardangebot für auferlegte Zugangsleistungen zu veröffentlichen, für die eine allgemeine Nachfrage besteht, kommt als Rechtsgrundlage § 23 Abs. 1 TKG in der Fassung des Gesetzes vom 18. Februar 2007 (BGBl I S. 106) in Betracht. Danach kann die Bundesnetzagentur den Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, verpflichten, in der Regel innerhalb von drei Monaten ein Standardangebot für die Zugangsleistungen zu veröffentlichen, für die eine allgemeine Nachfrage besteht.

 

a) Anders als bei der Pflicht zur Entgeltgenehmigung ist bei der Pflicht, ein Standardangebot zu veröffentlichen, schon zweifelhaft, ob diese Anordnung nachträglich noch ihre steuernde Wirkung entfalten und deshalb rückwirkend auferlegt werden kann. Dem pflichtgemäß veröffentlichten Standardangebot als solchem kommt keine privatrechtsgestaltende Wirkung zu, wie sie die Entgeltgenehmigung kennzeichnet, die auf der Grundlage einer Genehmigungspflicht erteilt worden ist. Nach § 23 Abs. 4 Satz 5 TKG gilt für die Regulierung der Entgelte § 37 TKG. Dies verdeutlicht, dass die Zugangsentgelte nicht Gegenstand des Standardangebotsverfahrens, sondern vielmehr erst bei auferlegter Genehmigungspflicht Gegenstand eines gesonderten Genehmigungsverfahrens sind. Soweit hier auf der Basis des veröffentlichten Standardangebots vor Erlass des ergänzenden Beschlusses Verträge über IP- Bitstrom-Zugang abgeschlossen worden sind, wurde die zivilrechtliche Gültigkeit dieser Verträge nicht dadurch berührt, dass das Bundesverwaltungsgericht die Verpflichtung zur Veröffentlichung des Standardangebots in seinem Urteil vom 28. Januar 2009 rückwirkend aufgehoben hat. Sollte die Klägerin derartige Verträge wegen der Aufhebung ihrer Pflicht, ein Standardangebot zu veröffentlichen, wieder gekündigt haben, dürfte die Wirksamkeit der Kündigung ihrerseits von einer rückwirkenden Wiedereinführung der Verpflichtung, ein Standardangebot zu veröffentlichen, unberührt bleiben. Von daher ist nicht erkennbar, welche rechtliche Wirkung es noch haben kann, einem von der Klägerin in der Vergangenheit bereits veröffentlichten Standardangebot die zwischenzeitlich entfallene rechtliche Grundlage nachträglich wiederzuverschaffen.

 

b) Jedenfalls ist die Verpflichtung, ein Standardangebot zu veröffentlichen, ebenfalls ermessensfehlerhaft. Sie leidet ebenso an einem Abwägungsdefizit wie die der Klägerin auferlegte Pflicht zur Entgeltgenehmigung.

 

Insoweit legt über die schon erörterten Gründe hinaus bereits die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 2 TKG es nahe, dass im Falle einer nachträglichen Auferlegung etwa geänderte Verhältnisse zu berücksichtigen sind. § 23 TKG ist nicht in der Auflistung der Entscheidungen enthalten, die gemäß § 13 Abs. 3 TKG mit den Ergebnissen der Marktdefinition und -analyse in einem einheitlichen Verwaltungsakt zu ergehen haben. Stattdessen bestimmt § 23 Abs. 1 Satz 2 TKG, dass die Entscheidung über das Standardangebot gemeinsam mit einer Entscheidung über die Auferlegung einer Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG ergehen kann. Will die Bundesnetzagentur dem marktmächtigen Netzbetreiber die Verpflichtung auferlegen, ein Standardangebot zu veröffentlichen, ist sie daher von vornherein insoweit freier, als sie diese Verpflichtung mit der eigentlichen Regulierungsverfügung verbinden kann und dann den für die Regulierungsverfügung geltenden Verfahrensvorschriften unterliegt, aber auch erst nachträglich und außerhalb der eigentlichen Regulierungsverfügung über diese Verpflichtung entscheiden kann.

 

Jedenfalls war die Bundesnetzagentur im Rahmen des ihr zustehenden Regulierungsermessens nicht berechtigt, die Verpflichtung, ein Standardangebot zu veröffentlichen, allein auf der Grundlage der Erkenntnislage, wie sie im Zeitpunkt der ursprünglichen Regulierungsverfügung vom 13. September 2006 bestand, zeitlich unbegrenzt sowohl für den gesamten Zeitraum, der bei Erlass des ergänzenden Beschlusses bereits verstrichen war, als auch für die Zukunft anzuordnen. Dass die hier umstrittene Verpflichtung erforderlich ist, hat die Bundesnetzagentur entscheidend damit begründet, der Verlauf der Diskussionen bis zum Erlass der Regulierungsverfügung (nämlich der ursprünglichen Regulierungsverfügung vom 13. September 2006) habe gezeigt, dass der IP- Bitstrom-Zugang sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich der Ausgestaltung der konkreten Bedingungen zwischen der Betroffenen und den potentiellen Nachfragern umstritten sei (Beschluss S. 17). Dabei blieb die Entwicklung des „Streitpotentials“ in der Zwischenzeit bis zum Erlass der ergänzenden Verfügung ebenso unberücksichtigt wie die Frage, inwieweit neuere Prognosen die Annahme einer „allgemeinen Nachfrage“ nach IP-Bitstrom-Zugang überhaupt noch rechtfertigten, was die Klägerin ausdrücklich bestreitet.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

 

Neumann Büge Dr. Möller Hahn Prof. Dr. Hecker

 

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 200 000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG).

 

Neumann Büge Dr. Möller Hahn Prof. Dr. Hecker