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OLG Köln, Beschluss vom 07.07.2014 AZ 2 Wx 245/13 Türkei: Gesetzliches Ehegattenerbrecht für unbewegliches Vermögen in Deutschland

Leitsatz: Das türkische Internationale Privatrecht (Art. 15 II IPRG) führt nicht zu einer Erhöhung der Erbquote des Ehegatten über eine Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB.

Gründe

 

1.

Der Beteiligte zu 1) und die Erblasserin, beide türkische Staatsangehörige, hatten am 28.07.1970 in der Türkei die Ehe geschlossen. Bei den Beteiligten zu 2) bis 4) handelt es sich um die gemeinsamen Kinder der Eheleute; der weitere Sohn Mevlüt ist am 30.07.1986 kinderlos und unverheiratet verstorben.

 

In den Nachlass der Erblasserin fiel Grundbesitz in Deutschland, nämlich je 1/ 2 Anteil an den beiden Miteigentumsanteilen, die in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern von Bergneustadt des Amtsgerichts Gummersbach, Blatt 3919 und Blatt 3983, verzeichnet sind; insoweit ist die Erblasserin als Berechtigte zu 1/2 Anteil eingetragen.

 

In der notariellen Urkunde vom 18.06.2013 (UR Nr. 1093/2013 des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten) haben die Beteiligten zu 2) und 3) im eigenen Namen und als vollmachtlose Vertreter der Beteiligten zu 1) und 4) - nur zur Berichtigung der Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher - die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der als Miterben der Erblasserin den Beteiligten zu 1) zu 1/4 Anteil und die Beteiligten zu 2) bis 4) zu je 1/4 Anteil ausweist; die Beteiligten zu 1) und 4) haben die Erklärungen in der Urkunde unter dem 03.07.2013 genehmigt. Der Notar hat die Urkunde mit Antrag vom 10.07.2013 bei dem Nachlassgericht eingereicht und auf dessen Nachfrage mitgeteilt, dass der Erbschein nur für den in Deutschland gelegenen Grundbesitz erteilt werden solle.

 

Nach Erteilung entsprechender Hinweise hat der Richterin des Nachlassgerichts mit Beschluss vom 02.09.2013 den Erbscheinsantrag zurückgewiesen und mit näherer Begründung ausgeführt, der Erbanteil des Beteiligten zu 1) als Ehegatten betrage 1/2, weil der gesetzliche Erbteil um 1/4 erhöht sei; es finde § 1371 Abs. 1 BGB Anwendung. Der Beschluss ist auf Veranlassung des Amtsgerichts am 10.09.2013 den Beteiligten persönlich zugestellt worden ist. Am 18.09.2013 ist bei dem Amtsgericht ein auf den 14.08.2013 datierter, mit "Beschwerde gegen den Beschluß vom 2.9.2013" überschriebener Schriftsatz des Notars eingegangen, in welchem der Notar mit näherer Begründung ausführte, der Erbscheinsantrag werde in der ursprünglichen Form aufrecht erhalten. Die Richterin des Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 20.09.2013 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

2.
Die Beschwerde ist gemäß 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

 

Sie ist insbesondere fristgerecht nach § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden. Dabei fällt nicht ins Gewicht, dass der angefochtene Beschluss den Beteiligten nicht wirksam bekannt gegeben und dadurch die Beschwerdefrist von einem Monat nicht in Gang gesetzt worden ist, weil die Bekanntmachung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an den verfahrensbevollmächtigten Notar (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamFG) zu richten gewesen wäre (Keidel/Sternal, FamFG, 18. Auflage 2014, § 15 Rn. 24). Denn auch wenn es sich bei der am 10.09.2013 bewirkten Zustellung an die Beteiligten persönlich um eine wirksame Bekanntmachung des Beschlusses gehandelt hätte, wäre die Einlegung der Beschwerde am 18.09.2013 noch fristgerecht erfolgt.

 

In diesem Zusammenhang weist der Senat das Amtsgericht darauf hin, dass dem entsprechend der Notar als Verfahrensbevollmächtigter in das Beschlussrubrum aufzunehmen war (§ 38

Abs. 2 Nr. 1 FamFG); zudem hätten auch die Beteiligten zu 1) und 4) im Rubrum aufgeführt werden müssen, weil sie die vollmachtlose Antragstellung der Beteiligten zu 2) und 3) genehmigt haben und aufgrund dessen ebenfalls Antragsteller im Erbscheinsverfahren geworden sind.

 

Die Beschwerde ist begründet.

 

Erben der Erblasserin sind in Bezug auf den Grundbesitz in Deutschland die Beteiligten zu 1) bis 4) zu je 1/4 Anteil geworden.

 

Der Erbscheinsantrag ist auf den unbeweglichen Nachlass in Deutschland beschränkt; insoweit ist deutsches Erbrecht anzuwenden. Das maßgebliche Erbstatut richtet sich, wenn der Erblasser - wie hier die Erblasserin - türkischer Staatsangehöriger war, nach dem Konsularvertrag zwischen der Türkischen Republik und dem Deutschen Reich vom 28. Mai 1929 (RGBl. 1930 II S. 747; 1931 II S. 538; BGBl. 1952 II S. 608); dieses zwischenstaatliche Abkommen geht der innerstaatlichen Regelung des Art. 25 EGBGB vor (vgl. BGH NJW-RR 2013, 201 [BGH 12.09.2012 - IV ZB 12/12]). Nach Ziff. 14 der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrages bestimmen sich die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte. Die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des unbeweglichen Vermögens hingegen bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt, und zwar in der gleichen Weise, wie wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen wäre; hinsichtlich des unbeweglichen in Deutschland gelegenen Nachlasses mithin nach deutschem Erbrecht.

 

Aufgrund dessen beträgt das Ehegattenerbrecht des Beteiligten zu 1) gemäß § 1931 Abs. 1 BGB 1/4 neben den Beteiligten zu 2) bis 4) als den noch lebenden Kindern. Eine Erhöhung des Ehegattenerbteils auf der Grundlage des § 1371 Abs. 1 BGB findet hier nicht statt.

 

In der vorliegenden Konstellation stellt sich die streitige Frage, ob die Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB allein güterrechtlich oder zugleich güterrechtlich und erbrechtlich (Theorie von der Doppelqualifikation) einzuordnen ist (zum Meinungsstreit s. nur Senat ZEV 2012, 205 [OLG Köln 05.08.2011 - 2 Wx 115/11]), nicht. Denn da hier nach der oben dargestellten Rechtslage für den unbeweglichen Nachlass in Deutschland das deutsche Erbrechtsstatut gilt, käme die Vorschrift dann, wenn auch deutsches Ehegüterrecht zur Anwendung käme, nach beiden Theorien gleichermaßen zur Anwendung. Im vorliegenden Fall hängt die Anwendung der Vorschrift daher allein davon ab, ob hinsichtlich des in Deutschland gelegenen Grundbesitzes auch das deutsche Güterrechtsstatut gilt. Dies ist nicht der Fall.

 

Gemäß Art. 220 Abs. 3 Satz 2 BGB ist auf die im Jahre 1970 geschlossene Ehe für die Zeit nach dem 08.04.1983 Art. 15 EGBGB anzuwenden. Dies führt, da beide Ehegatten die türkische Staatsangehörigkeit hatten, gemäß § 15 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zu einer Verweisung auf das türkische Recht, nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unter Einbeziehung des ausländischen internationalen Privatrechts. Das internationale Privatrecht der Türkei ist im Gesetz über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht vom 27.11.2007 (IPRG) geregelt. Art. 15 Abs. 2 dieses Gesetzes enthält die folgende Regelung:

 

"Bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung findet bei unbeweglichem Vermögen das Recht des Ortes der Belegenheit Anwendung". (Übersetzung nach Bergmann/Ferid/Henrich/Rumpf/Odendahl, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Türkei, Stand Mai 2013, Seite 55).

 

Dabei handelt es sich in Bezug auf den in Deutschland befindlichen unbeweglichen Nachlass um eine Rückverweisung auf das deutsche Recht. Zu einer Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB führte diese Rückverweisung, die vom deutschen Recht durch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB angenommen wird, indes nur dann, wenn sie sich in gegenständlicher Hinsicht als Verweisung auf das Güterrecht des Belegenheitsstaates darstellte und zudem in zeitlicher Hinsicht eine Rückwirkung auf vor Inkrafttreten des Gesetzes (hier im Jahre 1989) erworbenen Grundbesitz entfaltete. An der erstgenannten Voraussetzung fehlt es, ohne dass es einer Prüfung der zweiten Voraussetzung bedarf.

 

§ 1371 Abs. 1 BGB wird von der Verweisung in Art. 15 Abs. 2 IPRG nicht erfasst. § 1371 BGB setzt - da die Vorschrift an die Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten anknüpft - die Entstehung einer Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts voraus; eine solche wird durch die Verweisung in der genannten Vorschrift des türkischen Rechts indes nicht begründet. Denn diese verweist auf das Recht des Lageortes lediglich in Ansehung der "Auseinandersetzung" der ehelichen Güter. Zudem stellt § 1371 Abs. 1 BGB keine Auseinandersetzungsregelung dar. Denn die Vorschrift knüpft an den Tod eines Ehegatten an und sieht für diesen Fall eine (pauschale) Abgeltung des schuldrechtlichen Zugewinnausgleichs durch eine Erhöhung der Erbquote vor.

 

3.
Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst.

 

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht erfüllt.