Wissen

und

Kreativität

verbinden

-

Bitte beachten Sie:

Wir arbeiten als Rechtsanwälte in einer Bürogemeinschaft und bilden keine Sozietät

OLG Koblenz Urteil vom 21.2.13, 2 U 917/12 Wechselseitiges Testament im italienischen Recht

 

Oberlandesgericht Koblenz

Verkündet am 21. Februar 2013

Aktenzeichen: 2 U 917/12

Vorinstanz: 1 O 25/12 LG Koblenz

 

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Gründe:

 

 I.

(...)

Der Kläger nimmt die Beklagten, seine Geschwister, auf Feststellung in Anspruch, dass er neben diesen und dem in erster Instanz als Beklagter zu 4 mit verklagten weiteren Bruder ...[A] Miterbe zu 1/6 nach dem am 05.12.2008 verstorbenen Vater der Parteien ...[B] geworden sei; hilfsweise begehrt er im Wege der Stufenklage Auskunft, eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit der Auskunft und Zahlung des Pflichtteils.

 

(...)

 

Der Vater, italienischer Staatsangehöriger, wohnte zuletzt in …[X]/Westerwald. Dieser hatte gemeinsam mit seiner im Jahr 2006 vorverstorbenen Ehefrau und Mutter der Parteien unter dem 25.06.2003 ein handschriftliches Schriftstück unterzeichnet (GA 8, Übersetzung GA 11), in dem es heißt:

 

„Ich, ...[C] und mein Ehemann ...[B]

Es ist unser Wunsch, dass unsere Söhne ...[D] und ...[A] nach unserem Tod nichts erben sollen, weder von unserem Haus noch von unserem Geld. Der Grund ist, dass sie sich nicht um uns gekümmert haben, und uns keinerlei Interesse und Zuneigung entgegengebracht haben."

(...)

 

Der Kläger ist gemeinsam mit seinen 5 Geschwistern Erbe des am 05.12.2008 verstorbenen Vaters der Parteien ...[B]. Nach Art. 25 EGBGB unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Das ist hier italienisches Recht. Dieses knüpft nach Art. 46 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 218 vom 31.05.1995 zur Reform des italienischen Systems des Internationalen Privatrechts für die Beerbung mangels einer vom Erblasser getroffenen Rechtswahl an dessen Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt seines Todes an, somit hier an das materielle italienische Erbrecht. Nach Art. 457 Codice Civile (CC) erfolgt die Berufung zur Erbschaft kraft Gesetzes (vocazione legittima) oder kraft Testaments (vocazione testamentaria), wobei die gesetzliche Erbfolge - wie im deutschen Recht - nur eintritt, wenn es an einer testamentarischen Erbfolge ganz oder teilweise fehlt. Die Erbschaft fällt mit dem Erbfall an, wird aber gemäß Art. 459 CC erst mit einer auf den Erbfall zurückwirkenden Annahmeerklärung erworben (vgl. Ferid/Firsching/Dörner/ Hausmann, Internationales Erbrecht, 2012, Italien Grdz. D IV, Rdn. 40; Grdz. G II, Rdn. 196).

 

Der Kläger hat gemeinsam mit den Beklagten und dem Bruder ...[A] seinen Vater gem. Art. 566 CC im Wege der gesetzlichen Erbfolge beerbt. Nach dieser Bestimmung werden Vater und Mutter von den ehelichen und natürlichen Kindern zu gleichen Teilen beerbt. Das gemeinschaftliche Testament der Eltern von 25.06.2003, durch das der Kläger und der Bruder …[A] von der Erbfolge ausgeschlossen werden sollten, ist – unabhängig von der Frage der Autorenschaft und der Testierfähigkeit des Vaters - unwirksam. Das italienische Recht kennt kein gemeinschaftliches Testament (und auch keinen Erbvertrag). Gemäß Art. 589 CC können zwei oder mehr Personen nicht in derselben Urkunde ein Testament errichten. Daraus folgt, dass die nach deutschem Recht (§§ 2265, 2267 BGB) mögliche Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nicht lediglich eine Frage der Form der Testamentserrichtung betrifft, für die nach Art. 48 des Gesetzes Nr. 218 deutsches Recht maßgeblich wäre, weil in Deutschland das Testament verfasst wurde und auch der Erblasser seinen Wohnsitz und Aufenthalt hatte (Ortform). Vielmehr ist wesentliches Merkmal des in Art. 587 CC definierten Testaments die absolute Einseitigkeit (Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, a.a.O., Italien Grdz. F §1 II, Rdn. 75), weshalb ein Verstoß gegen Art. 589 CC die absoluten Nichtigkeit, „Inexistenz“, der letztwilligen Verfügung zur Folge hat (ders., a.a.O, Rdn. 121). Einem somit seiner Art nach im italienischen Recht nicht möglichen gemeinschaftlichen Testament kann daher nicht durch Wahrung der nach deutschem Recht möglichen Form der Errichtung einer solchen gemeinsamen Verfügung zur Wirksamkeit verholfen werden.

 

Der Kläger hat die Erbschaft auch innerhalb der zehnjährigen Verjährungsfrist des Art. 480 CC (vgl. hierzu Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, a.a.O., Italien Grdz. G III, Rdn. 200) angenommen. Nach Art. 474 CC kann die Annahme ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen, wobei eine stillschweigende Annahme gemäß Art. 476 CC vorliegt, wenn der zur Erbschaft Berufene eine Handlung vornimmt, welche notwendigerweise seinen Annahmewillen voraussetzt und zu welcher er nur in seiner Eigenschaft als Erbe berechtigt wäre. Eine solche, den Willen zur Annahme der Erbschaft voraussetzende Handlung ist bereits zwanglos der vorliegenden Klage zu entnehmen.

(...)