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Spermaspender darf nicht anonym bleiben

Oberlandesgericht Hamm, I-14 U 7/12 Urteil vom 06.02.2013

Das OLG hat einer jungen Frau das Recht zugestanden, zu wissen, wer ihr bis dahin unbekannter -  weil er anonymer Samenspender war - leiblicher Vater ist.

Für Ärzte bedeutet das: Die Berufsfreiheit hat Grenzen und für die Samenspender und deren "familiären" Kinder , dass ihre anonym gezeugten Kinder Erb- insbesondere auch Pflichteilsansprüche geltend machen können. 

 

HAMM. Samenspender haben auch in Altfällen vor 2007 keinen Anspruch auf die ihnen zugesicherte Anonymität. Das Recht des Kindes an der Kenntnis seiner Herkunft steht höher, wie am Mittwoch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied. Der Arzt verstoße daher nicht gegen seine Schweigepflicht, wenn er die Daten herausgibt.

Damit gab das OLG der im März 1991 in einem Institut eines Arztes in Essen durch heterologe Insemination gezeugten Sarah P. recht. Von dem Arzt wollte sie nun wissen, von welchem Mann sie abstammt.

Der Arzt lehnte dies ab. Er habe den Samenspendern Anonymität zugesichert und dies entsprechend mit der Mutter vereinbart. Dieses "Geheimhaltungsinteresse" sei höher zu bewerten als das Auskunftsinteresse des Kindes.

Das OLG Hamm gewichtete die Interessen nun aber anders herum: Das Interesse der Klägerin, ihre Abstammung zu erfahren, sei höher zu bewerten als die Interessen des Arztes und der Samenspender an einer Geheimhaltung.

Mögliche gegenläufige Interessen der Mutter und des gesetzlichen Vaters spielten hier keine Rolle, weil beide einverstanden seien.

Zur Begründung verwies das OLG auf die allgemeine Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Die Abstammung spiele eine große Rolle, um die "Persönlichkeit verstehen und entfalten zu können".

Daten 30 Jahre lang archivieren

Hinter diese "fundamentale Rechtsposition" müssten die Berufsfreiheit des Arztes und auch das Persönlichkeitsrecht des auf seine Anonymität vertrauenden Spenders zurücktreten, urteilte das OLG. Beide seien "nicht in ihren zentralen Bereichen betroffen".

Sie seien schon deswegen weniger schutzbedürftig, weil sie von vornherein mit der Möglichkeit hätten rechnen müssen, dass das gezeugte Kind seinen Vater kennen will.

Dass im konkreten Fall der Arzt die Auskunft nicht mehr geben kann, habe er noch nicht ausreichend belegt. Unmöglich sei die Auskunft erst, wenn er die Informationen "auch nach einer umfassenden Recherche in seiner Praxis" nicht mehr beschaffen könne.

Das OLG ließ keine Revision zu, dagegen kann der Arzt aber Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.

Seit 2007 schreibt deutsches und EU-Recht vor, dass die Daten von Samenspendern 30 Jahre lang aufgehoben und rückverfolgbar sein müssen. Betroffen von dem Urteil sind vor allem Kinder, die vorher gezeugt wurden.

Auch zuvor sei dies aber ähnlich in den meisten Berufsordnungen der Landesärztekammern festgeschrieben gewesen, sagte Najib Nassar, Sprecher und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschland der "Ärzte Zeitung".

Schon 1989 hatte das Bundesverfassungsgericht das Recht auf Kenntnis der eignen genetischen Herkunft hervorgehoben.

Urteil des OLG Hamm, Az.: I-14 U 7/12

 

Hier dasd vollständige Urteil:

 

Oberlandesgericht Hamm, I-14 U 7/12

Datum: 06.02.2013

14. Zivilsenat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: I-14 U 7/12
 
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 2 O 260/11
Schlagworte:
Auskunftspflicht, Arzt, Samenspender, Geheimhaltung der Spenderdaten, heterologe Insemination, genetische Abstammung, Menschenwürde, Persönlichkeitsrecht, Kenntnis der eigenen Abstammung, Unmöglichkeit
Normen:
Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, § 242 BGB
Leitsätze:

 

1. Das Interesse des durch eine heterologe Insemination gezeugten Kindes, seine genetische Abstammung zu erfahren, kann im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung höher zu bewerten sein als die Interessen des beklagten Arztes und der Samenspender an einer Geheimhaltung der Spenderdaten. In diesem Fall kann das Kind vom behandelnden Arzt Auskunft über seine genetische Abstammung verlangen.

 

2. Eine Einigung zwischen den Eltern und dem behandelnden Arzt, die Anonymität des Samenspenders zu wahren, stellt im Verhältnis zu dem ungeborenen Kind einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter dar.

 

3. Die Auskunftserteilung ist dem beklagten Arzt erst dann unmöglich, wenn er die benötigten Informationen auch nach einer umfassenden Recherche nicht mehr beschaffen kann.

 
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7. Februar 2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, Auskunft über die genetische Abstammung der Klägerin zu erteilen. Er hat dabei auch Einsicht in vorhandene Unterlagen zu gewähren, aus denen sich die genetische Abstammung der Klägerin ergibt.

 

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

 

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Die Revision wird nicht zugelassen. Das Urteil beschwert die Parteien mit weniger als 20.000 €.

 
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