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Haftung für Miete im Erbfall

Wird das Mietverhältnis nach dem Tod des Mieters gemäß § 564 Satz 1 BGB mit dem Erben fortgesetzt, sind die nach dem Erbfall fällig werdenden Forderungen jedenfalls dann reine Nachlassverbindlichkeiten, wenn das Mietverhältnis innerhalb der in § 564 Satz 2 BGB bestimmten Frist beendet wird.

  • Datum: 23. Januar 2013

  • Aktenzeichen:VIII ZR 68/12

  • Typ: Urteil

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 7. Februar 2012 - auch im Kostenpunkt - aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 15. Juni 2010 geändert, soweit bezüglich der Klage zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die in der ersten und zweiten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten sowie 1/20 der weiteren Kosten der ersten und zweiten Instanz zu tragen. Im Übrigen fallen die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zur Last.

 

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Der Kläger und die Drittwiderbeklagten sind Gesellschafter der S. Vermietungs-GbR, die dem Vater der Beklagten im Jahr 1994 eine Wohnung in N. vermietet hatte. Der Kläger macht gegen die Beklagte als Erbin nach ihrem am 8. Oktober 2008 verstorbenen Vater aus abgetretenem Recht der Vermieterin Ansprüche aus dem mit Ablauf des Monats Januar 2009 beendeten Mietverhältnis geltend. Die Beklagte hat die Erbschaft mit einer beim Nachlassgericht am 30. Januar 2009 eingegangenen notariellen Erklärung ausgeschlagen und im Übrigen die Dürftigkeitseinrede erhoben.

Der Kläger begehrt Zahlung der Miete für die Monate November 2008 bis Januar 2009, ferner Schadensersatz wegen unvollständiger Räumung, nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen und Beschädigung der Mietsache, insgesamt 7.721,54 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Im Wege der Widerklage hat die Beklagte Abrechnung über die vom Erblasser in Höhe von 1.533,87 € (3.000 DM) erbrachte Kaution verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, die Widerklage abgewiesen und der Beklagten die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass vorbehalten. Das Landgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 2.512,48 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 311,19 € verurteilt worden ist. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Der Kläger erstrebt mit der Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils bezüglich der Klage.

 

Gründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg; die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet.

 

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte sei als Miterbin und Rechtsnachfolgerin des Erblassers gemäß §§ 564, 1922 BGB in den Mietvertrag eingetreten, weil sie die Erbschaft nicht fristgemäß ausgeschlagen habe. Die sechswöchige Ausschlagungsfrist habe mit Kenntnis der Beklagten vom Tod des Vaters am 9. Oktober 2008 zu laufen begonnen und sei daher im Zeitpunkt der Ausschlagung (30. Januar 2009) bereits abgelaufen gewesen.

Die Beklagte sei deshalb zur Zahlung der Miete für den Zeitraum November 2008 bis Januar 2009 (insgesamt 2.262,48 €) verpflichtet. Insoweit hafte sie auch persönlich, denn es handele sich um sogenannte Nachlasserbenschulden. Zwar werde teilweise die Auffassung vertreten, dass die bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit entstandenen Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis reine Nachlassverbindlichkeiten seien. Diese Auffassung berücksichtige indes nicht, dass § 564 BGB den Eintritt des Erben in das Mietverhältnis in einer über die normalen Erbwirkungen hinausgehenden Weise selbständig anordne. Hier komme außerdem hinzu, dass die Beklagte ihre eigenen Möbel zumindest zeitweise in der Wohnung untergestellt habe. Es wäre unbillig, wenn bei einem überschuldeten Nachlass für den Erben die Möglichkeit bestünde, die Wohnung unentgeltlich zu nutzen, ohne dass er im Gegenzug vom Vermieter persönlich in Anspruch genommen werden könnte. In gleicher Weise 3 hafte die Beklagte für die Entsorgungskosten (250 €), die wegen der unzureichend durchgeführten Räumung des Mietobjektes entstanden seien.

Bei den Schadensersatzansprüchen wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und Beschädigungen der Mietsache handele es sich hingegen um Nachlassverbindlichkeiten; insoweit sei die Klage aufgrund der von der Beklagten erhobenen Dürftigkeitseinrede abzuweisen, da die Unzulänglichkeit des Nachlasses feststehe. Hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten stehe dem Kläger für die außergerichtliche Geltendmachung der Mietforderung durch seine Rechtsanwälte ein Betrag in Höhe von 311,19 € zu.

 

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind sämtliche mit der Klage erhobenen Ansprüche (reine) Nachlassverbindlichkeiten, so dass die Klage jedenfalls mit Rücksicht auf die von der Beklagten erhobene Dürftigkeitseinrede und die vom Berufungsgericht zutreffend festgestellte Erschöpfung des Nachlasses insgesamt unbegründet ist. Der Eintritt des Erben in das Mietverhältnis nach § 564 BGB führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht dazu, dass der Erbe für die weiteren Forderungen aus dem Mietverhältnis auch persönlich ("als Mieter") haften würde.

 

A. Revision der Beklagten

1. Die Revision ist (insgesamt) zulässig, auch soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung zum Ersatz von Räumungskosten wendet. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht die Revision nicht nur beschränkt - soweit der Kläger rückständige Miete begehrt - zugelas-7 sen. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es der Frage, ob der Erbe wegen des Eintritts in das Mietverhältnis gemäß § 564 BGB für die weiteren Forderungen aus dem Mietverhältnis persönlich haftet, grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat. Da das Berufungsgericht eine solche persönliche Haftung der Beklagten auch für die Räumungskosten bejaht hat, ist die Revision auch insoweit zugelassen.

 

2. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte die Erbschaft rechtzeitig ausgeschlagen hat. Denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung der Miete für die Monate November 2008 bis Januar 2009 und auf Ersatz der Räumungskosten auch dann nicht zu, wenn die Beklagte, wie das Berufungsgericht angenommen hat, mangels rechtzeitiger Erbausschlagung Erbin ihres Vaters geworden sein sollte.

 

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei den nach dem Erbfall fällig gewordenen Mieten und den Kosten der Räumung nicht um sogenannte Nachlasserbenschulden, für die die Beklagte mit dem eigenen Vermögen und nicht nur beschränkt auf den Nachlass haften würde.

 

aa) Die Einordnung derartiger Forderungen ist allerdings umstritten. Nach einer in der mietrechtlichen Literatur teilweise vertretenen Auffassung, der auch das Berufungsgericht folgt, haftet der Erbe für die nach dem Erbfall entstehenden mietrechtlichen Verbindlichkeiten aufgrund seiner Stellung als Mieter auch persönlich (Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 10. Aufl., § 564 BGB Rn. 3; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 6. Aufl., § 564 Rn. 3; wohl auch MünchKommBGB/Häublein, 6. Aufl., § 564 Rn. 6).

 

bb) Nach der Gegenmeinung handelt es sich jedenfalls dann, wenn das Mietverhältnis durch Kündigung nach § 564 BGB beendet wird, um reine Nachlassverbindlichkeiten (KG, NJW 2006, 2561, 2562; OLG Düsseldorf, ZMR 1994, 11 114; LG Wuppertal, MDR 1997, 34; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1967 Rn. 2, 11; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2011, § 564 Rn. 7), so dass der Erbe seine Haftung durch Erhebung der Dürftigkeitseinrede auf den Nachlass beschränken kann.

 

cc) Der Senat hat die Frage, ob und inwieweit der Erbe für Forderungen aus dem übergegangenen Dauerschuldverhältnis auch persönlich haftet, bislang offen gelassen (Senatsurteil vom 21. Dezember 1988 - VIII ZR 277/87, NJW 1989, 2133 unter III 1 a). Er beantwortet sie nunmehr dahin, dass auch die nach dem Tod des Erblassers fällig werdenden Forderungen aus dem Mietverhältnis jedenfalls dann reine Nachlassverbindlichkeiten sind, wenn das Mietverhältnis - wie hier - innerhalb der in § 564 Satz 2 BGB bestimmten Frist beendet wird.

 

(1) Als sogenannte Nachlasserbenschulden werden im Allgemeinen Verbindlichkeiten bezeichnet, die durch Rechtsgeschäfte des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses entstehen und die deshalb sowohl Eigenverbindlichkeiten des Erben als auch - soweit sie auf ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses beruhen - Nachlassverbindlichkeiten sind (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1990 - IV ZR 326/88, BGHZ 110, 176, 179). Unter diesem Blickwinkel lässt sich eine persönliche Haftung der Beklagten nicht begründen, denn ein rechtsgeschäftliches Handeln der Beklagten zur Fortsetzung des Mietverhältnisses liegt nicht vor.

 

(2) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich auch aus § 564 Satz 1 BGB keine persönliche Haftung der Beklagten. Diese Vorschrift knüpft den Eintritt in das Mietverhältnis an die Erbenstellung an; der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung bietet somit keine Anhaltspunkte für eine zusätzliche persönliche Haftung des in das Mietverhältnis eintretenden Erben. Auch 15 aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift lässt sich nichts dafür entnehmen, dass dem Erben im Hinblick auf das Wohnraummietverhältnis des Erblassers eine über die allgemeine Rechtsnachfolge (§ 1922 BGB) hinausgehende und mit einer persönlichen Haftung verbundene Sonderstellung zugewiesen wäre. Denn die Regelung des § 564 Satz 1 BGB erklärt sich aus der Besonderheit, dass im Falle des Todes eines Mieters von Wohnraum vorrangig der Eintritt von Familien- und Haushaltsangehörigen oder Mitmietern des Erblassers in Betracht kommt (§§ 563, 563a BGB) und es deshalb einer Regelung dahin bedarf, dass der Erbe (nur) dann in das Mietverhältnis eintritt, wenn das Mietverhältnis nicht nach §§ 563, 563a BGB fortgesetzt wird. Dies ändert indes nichts daran, dass das Mietverhältnis als Dauerschuldverhältnis nach §§ 1922, 1967 BGB auf den Erben übergeht und die daraus resultierenden Verbindlichkeiten den Erben nur als solchen treffen. Zutreffend weist die Revision in diesem Zusammenhang darauf hin, dass § 580 BGB für sonstige Mietverhältnisse lediglich eine dem § 564 Satz 2 BGB entsprechende außerordentliche Kündigungsmöglichkeit vorsieht und somit den Übergang des Mietverhältnisses auf den Erben (nach §§ 1922, 1967 BGB) voraussetzt.

 

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte auch nicht "aus Billigkeitsgründen" für die Mieten von November 2008 bis Januar 2009. Eine Anspruchsgrundlage, aus der sich eine persönliche Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Miete mit Rücksicht darauf ergäbe, dass sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zeitweise noch einige der Beklagten gehörende, dem Erblasser zur Benutzung überlassene Möbelstücke in der Wohnung befanden, ist nicht ersichtlich.

 

d) Da es sich somit bei den Mietschulden um (reine) Nachlassverbindlichkeiten handelt, haftet die Beklagte nur beschränkt auf den Nachlass. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die auf Erfüllung einer 18 Nachlassverbindlichkeit gerichtete Klage abzuweisen ist, wenn der Erbe die Dürftigkeitseinrede erhoben hat und die Erschöpfung des Nachlasses feststeht (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1983 - IVa ZR 211/81, NJW 1983, 2378 unter 2). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist der Anspruch auf Rückgewähr der Kaution wertlos, weil bereits die rückständigen Mietforderungen die Kaution übersteigen.

 

B. Anschlussrevision des Klägers Die Anschlussrevision bezieht sich ausschließlich auf Nachlassverbindlichkeiten und ist somit schon deshalb unbegründet, weil - wie oben ausgeführt - die Beklagte die Dürftigkeitseinrede erhoben hat und der Nachlass erschöpft ist.

 

III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts im Kostenpunkt und insoweit keinen Bestand haben, als hinsichtlich der Klage zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage insgesamt. Die Anschlussrevision des Klägers ist zurückzuweisen.

 

Ball       Dr. Milger      Dr. Hessel      Dr. Fetzer     Dr. Bünger

 

Vorinstanzen:

AG Nürnberg, Entscheidung vom 15.06.2010 - 29 C 5423/09 -

LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 07.02.2012 - 7 S 5446/10 -